Wandern ist eine ziemlich ernste Angelegenheit. Nach sieben Jahren gezielten Umherstreifens in Alpen und deutschen Mittelgebirgen weiß ich, wovon ich rede. Unvergessen und bis heute tief in meinem Schmerzgedächtnis verankert, wie ich nach halber Strecke auf dem Harzer Hexenstieg die Blase am kleinen Zeh meines linken Fußes dilettantisch verarztete und sich der Zehennagel danach durch das unfachmännisch verklebte Pflaster mit jedem gewanderten Meter weiter hinein in das höchst empfindliche Nagelbett bohrte, sodass ich bereits zwei Tage vor dem Erreichen der Zielgerade die weiße Fahne hissen musste. Nichts ging mehr, und das buchstäblich.
     Unvergessen auch, wie meiner Frau, die einen rekordverdächtigen Flüssigkeitsverbrauch hat, auf dem gefürchteten Gottesackerplateau im Kleinwalsertal das Wasser ausging und wir bei gefühlt 30 Grad Celsius noch den endlos erscheinenden Abstieg auf kantigem Karstgestein vor uns hatten. Ich sage nur: Die Hölle ist ein Paradies.
     Aber es kann auch lustig sein. Wie zum Beispiel im Sommer 2022, als wir bei unserer Alpenüberquerung 2.0, vom Achensee nach Sterzing, einen Zwischenstopp einlegten, um uns das Zillertal näher anzusehen. Wir entschieden uns, gemütlich zur Brindling-Alm hinauf zu laufen, wobei die ersten 200 Meter mit einer gefühlten Steigung von 80% alles andere als gemütlich waren. Bei einem Gehöft »unterhielten« wir uns lange mit einem alten Bauern, der – abgesehen von seinem Tiroler Dialekt – eine verblüffende Ähnlichkeit mit Michael Palin hatte. Ich bin ja ein großer Monty-Python-Fan, und so lauschte ich fasziniert dem Einheimischen, dachte an Erebus, Tänze mit toten Fischen und Holzfäller in Frauenkleidern, und wer weiß: Vielleicht hat er auch genau darüber gesprochen. Leider ist und bleibt Tirolerisch für mich eine schwer zu entschlüsselnde Sprache.
     Nach dieser kuriosen Begegnung ging es – zumeist auf breiten Waldwegen – hinauf zur Brindling-Alm, wo die Resi (wer sonst?) mit Erfrischungsgetränken, Erbsensuppe und einem Strammen Max bereits auf uns wartete. Wir waren allein auf der Alm, man hörte lediglich das Löffeln und Schneiden im Zuge unserer Nahrungsaufnahme. Fernab jeder Zivilisation fühlten wir uns auch auf dem Weg nach unten. Keine anderen Wanderer weit und breit, keine lästigen Motorengeräusche, keine Kuhglocken. Zu hören waren einzig und allein das Rauschen der Bäume im Wind und der Flügelschlag des Schmetterlings – bis meine Frau die einschläfernde Stille durchbrach, mit dem Zitat des Tages: »Ganz schön ruhig hier … nur ich bin am Quatschen.«
     Am späten Nachmittag waren wir zurück auf dem Berghof, unsere Unterkunft für zwei Nächte. Wir belohnten uns für die Strapazen wie üblich mit einem kühlen Weizenbier. Als wir es bestellten, fielen uns die auf dem obigen Foto abgebildeten Barhocker auf … und wir hatten Fragen. Erst Recht, als kurze Zeit später vier schwergewichtige Männer mit Maurerdekolleté darauf Platz nahmen. Es wäre das bessere Motiv gewesen, keine Frage, aber wir wollen es uns mit dem Berghof nicht verscherzen. Es ist eine wunderbare Unterkunft, perfekte Lage, nette Atmosphäre, freundliches Personal, wärmstens zu empfehlen. Beleg dafür war nicht zuletzt eine große Grillparty am Abend, für die Freundinnen und Freunde des Berghofs, was uns aber nicht ausgrenzte. Klugerweise verzichtete ich jedoch darauf, an einem der hiesigen Partyrituale teilzunehmen, bei dem man einen Nagel mit der scharfen Finne eines Hammers mit möglichst wenig Schlägen in einen Holzstamm kloppen musste. Ich habe vom Balkon aus eine Weile zugeschaut. Die Regeln dieses Spiels erschlossen sich mir nicht so ganz. Denn nach jeder Runde musste nicht nur der Verlierer einen Schnaps trinken, sondern alle.

Bilder von der Tour zu Brindling-Alm.